Angelika Böttiger

Sie sind im Gedächtnis geblieben: Angelika Böttiger und Carmen Maja Antoni, zwei alleinstehende  Schwestern – Meta und Else, die sich moralinsauer und besorgt um ihren Bruder kümmern. Die beiden Filme, in denen sie agieren „Krauses Fest“ und Krauses Kur“ - in der Hauptrolle der schwergewichtige Horst Krause - sind besonders wegen der Nebendarstellerinnen ein Fest. Ihre Parts sind voller Komik, einprägsam durch Mimik und Gesten, witzig die Reaktionen, penetrant ihre Anhänglichkeit. Einmalig die Charaktere in ihrer Verschrobenheit. In Erinnerung bleibt die Reise zur Kur als Dreiergespann auf Krauses Motorrad mit Beiwagen. Einfach sehenswert.
 
Einige Zeit blickte in Friedrichshagen Angelika Böttiger von einem Plakat herunter. Als Ankündigung: „Schwarze Seelen“. Die absurde Farce von Peter Waschinsky wurde im Gartenhaus der Weißen Villa gezeigt. Einzige Darstellerin ist Angelika Böttiger als Frau M. Ihr Blick aufs Asphalt wirkte leicht arrogant. „Freuen sich die Friedrichshagener eigentlich über ihre Künstler?“ Die Frage schwebt im Raum, als wir uns treffen. Angelika Böttiger ist seit 1993 Friedrichshagenerin. Wer kennt sie; wer hat sie erlebt?

Auf Reichweite im Zimmertheater ist die zarte Person sofort präsent. Sie kommt hereingestürmt, der Raum ist erfüllt von ihrer Aura. Minikleid mit dem Aufdruck von Headlines, denen Otto Normalverbraucher so gern verfällt, schwarze Strumpfhose, rote Schuhe, die sie erst in den Händen trägt, dann anzieht. Das Spektakel beginnt. Frau M. lässt sich einfangen vom imaginären Moderator des Fernsehens, beteiligt sich an einer Spielshow, ahnt nicht, dass schwarze Seelen im Spiele sind. Die Zuschauer lehnen sich zurück, versuchen den Hintersinn des Stückes zu begreifen, vergessen ihn und folgen der Darbietung, die umwerfend ist. Laute Tiraden wechseln mit leisen Tönen, große Gesten mit verhaltenen Schrittchen. Theaterspiel, Puppenspiel, Dialog mit dem Fernseher, Koketterie mit dem Zuschauer, Blicke in die Augen. Blickt sie hinein oder hindurch? Erwartet sie eine Antwort, ein Nicken oder Kopfschütteln?

Alles ist Spiel: „Wie man selber ist und was man spielt, hat nicht unbedingt etwas miteinander zu tun.“ Angelika Böttiger hat 1974 die Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig absolviert. Die grundsolide Ausbildung ist ihr anzumerken. Ihre Laufbahn führte über Theater in Chemnitz, Magdeburg, Dresden, Stuttgart, das Maxim Gorki Theater in Berlin und das Theater an der Parkaue, in dem sie zur Zeit in dem Stück „Der Beschützer der Diebe“ zu erleben ist. Sie war u.a. in „Dogville“, „Trommeln in der Nacht“, im „Urfaust“, „Hedda Gabler“ und „Maria Stuart“ präsent. Sie spielte bedeutende Rollen im Film, darunter in „Hände weg von Mississippi“ in der Regie von Detlef Buck, früher in Märchenfilmen der DEFA und in Krimis. Ausgezeichnet wurde Angelika Böttiger für die Rolle der stummen Kattrin in „Mutter Courage“.

Der Beruf ist ihre Berufung, ein Glück in ihrem Leben, wenn auch nicht das größte. „Ich habe zwei Kinder, auf die ich stolz bin, wenn überhaupt, dann ist das am wichtigsten“, ist eine der persönlichsten Aussagen, die sie im Gespräch preisgibt. Nicht zu erfahren ist das Alter – man könnte es schätzen – vielleicht 60 als Krauses Schwester, eher aber 45 im Friedrichshagener Stück.

Jetzt, im Juli 2011, hat Angelika Böttiger wenig Zeit. Sie ist zu Dreharbeiten für den 3. Krause-Film unterwegs. Und dann dürfen die Friedrichshagener gespannt sein. Geplant ist ein Kleistabend mit Kollegin Franziska Kleiner – eventuell im Herbst. Die Böttiger ist von Kleist fasziniert.“Kleist ist so schwer zu fassen in seiner Zerrissenheit. Er wusste soviel über die Abgründe des Menschen und war immer auf der Suche nach einem Platz im Leben. Das ist doch verrückt.“

Möge der Abend zustande kommen, das wünschen wir uns, auch denen, die sie noch nicht erlebt haben. Denn eigentlich mögen wir unsere Künstler, auch wenn wir noch nicht alle kennen.

-hsb- Juli 2011