Naturalismus in Friedrichshagen

Friedrichshagen war 1753 für eingewanderte Spinnerfamilien gegründet worden. Als sich die Autoren um 1890 hier niederließen, hatte es sich schon zum Kurort gemausert, dehnte sich langsam am Müggelseeufer aus und zählte ca. 1000 Einwohner. Die Dichter kamen hierher, um der Großstadt zu entfliehen und ihr gleichzeitig aber auch nahe zu sein. Diesen Wunsch erfüllte Friedrichshagen durch die gute Entwicklung des Vorortverkehrs Berlins, der die Verbindung zu den Verlegern, Freunden und Kneipen in der Stadt aufrechterhielt

 

Als Erster ließ sich Gerhart Hauptmann in dieser Gegend, in Erkner, nieder und kam über den Literaten-Verein "Durch" mit den späteren Friedrichshagenern zusammen. So entstand langsam der Friedrichshagener Dichterkreis, auch Friedrichshagener Naturalisten-Kolonie genannt.

 

Zu den Mitgliedern und regelmäßigen Besuchern des Kreises zählten u.a.: Gerhart Hauptmann, die Brüder Hart, Wilhelm Bölsche, die Brüder Paul und Bernhard Kampffmeyer, Otto Erich Hartleben, später Erich Mühsam, Stanislaw Przybyzewski, Max Halbe, Peter Hille, Frank Wedekind, der Anarchist John Henry Mackay, Felix Holländer, Fidus u. v. a. Richard Dehmel war häufiger Gast in Friedrichshagen sowie in Berlin Gastgeber; er vertrat nur zeitweilig naturalistische Positionen. Der Ruf Friedrichshagens führte dazu, daß sich skandinavische Künstler hier ansiedelten wie Arne Gaborg, Hulda Garborg, Ola Hansen und seine Frau Laura Marholm, über die August Strindberg hierher eingeladen wurde, um dann auch in Friedrichshagen zu wohnen und in Berlin - wie die gesamte skandinavische Kolonie - die Kneipen zu besuchen, u. a. dann das sogenannte Schwarze Ferkel.

 

Getroffen hat sich der harte Kern der Naturalisten (1888/89) zunächst in den Häusern von Wilhelm Bölsche und Bruno Wille. Nachdem Bölsche 1893 in die Schweiz gezogen war, traf man sich bis zur Jahrhundertwende im Haus der Brüder Hart. Der Kreis widmete sich der radikalen, in der Anfangsphase hauptsächlich naturalistischen Erneuerung von Dichtung und Theater. Er wirkte sich vom ländlichen Friedrichshagen aus auf das literarische Leben im Umfeld der Berliner Moderne aus. Politisch waren die Friedrichshagener zum Teil der SPD verbunden und beeinflußten deren kulturpolitisches Programm, einige wandten sich enttäuscht ab und liebäugelten mit dem Anarchismus.

 

Franziska Roewer '99, LK-Deutsch

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an den Kulturhistorischen Verein Friedrichshagen .