17.01.2015


Sturm im Wasserglas namens Müggelsee

Entwarnung für das südliche und westliche Müggelseeufer

Die Aufregung war von Anfang an groß. Im Dezember 2014 hatte die Senatsumweltverwaltung zu einem workshop im Kino UNION eingeladen und den damaligen Stand ihrer Pläne zur ökologischen Weiterentwicklung des südlichen und westlichen Müggelseeufers vorgestellt. Man sei sich bewusst, dass bei diesem Vorhaben sehr viele unterschiedliche Interessen – wie Wassersporttätigkeiten, Naherholungsfunktionen, Anwohnerinteressen – tangiert würden, eine möglichst breite Einbeziehung der betroffenen Bevölkerungsgruppen daher von vornherein Teil des Projektes sei.

Rechtlicher Hintergrund seien drei EU-Richtlinien, und zwar die „Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“, die „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ und die „eu-Vogelschutzrichtlinie“. Und man sei in zeitlichem Zugzwang. Würde die Senatsverwaltung nicht bald aktiv werden drohten Vertragsstrafen.

Und schon damals wurde bei dieser Beteiligungswerkstatt, teils heftige, Kritik laut. Sie kam sowohl von Anwohnern, die strenge Auflagen befürchteten, als auch von der örtlichen Bürgerinitiative FBI. Diese verwies darauf, dass die Absichten der Senatsverwaltung im Grundsatz zu begrüßen seien, jedoch geplante Maßnahmen des Flughafenbetreibers von BER dem diametral entgegenstünden. Als Beleg wurde der Planfeststellungsbeschluss genannt, in dem in einem seiner dazugehörigen Gutachten von „Vogelvergrämungen“ die Rede ist, welche unter anderem durch Anpflanzungen vogelnesterfeindlicher Gehölze aber unter Umständen auch die gezielte Vernichtung von Vogelnestern und anderer Brutstätten zu erreichen sei. Die Senatsvertreter reagierten darauf, dass ihnen diese Informationen neu seien.

In der Folge meldeten sich auch betroffene Interessensverbände, insbesondere auch die Segler. Eine geplante 500 Meter weit ins Wasser reichende Uferzone würde ihnen ein Viertel bis ein Drittel der Seefläche wegnehmen. Außerdem müssten sie dann Richtung Seemitte ausweichen, also dorthin, wo die Wellen signifikant höher seien, was speziell für den Nachwuchs eine zusätzliche Gefahrenquelle darstelle.

Die steigende Kritik zeigte offenbar Wirkung. Umweltsenator Andreas Geisel (SPD) ruderte in der Verkehrsausschusssitzung des Abgeordnetenhauses Anfang Januar zurück. Man plane nun nicht mehr, große Flächen vor dem Süd- und Westufer des Müggelsees zu sperren. Bis Ende März werde ein Konzept für den Naturschutz am Müggelsee vorgelegt werden.

Man darf gespannt sein, wie das grundsätzliche Problem, Naturschutz versus Flughafeninteressen „gelöst“ werden soll, schließlich sind die vom Flughafenbetreiber – zu dem auch das Land Berlin zählt – beanspruchten Flächen noch erheblich größer, und sie überdecken die vom Naturschutz benötigten Flächen. Zugleich zeigt sich aber auch, dass die ursprünglich von der Umweltverwaltung vertretene Haltung, das Vorhaben sei – wie das heute so schön heißt – alternativlos, da ansonsten empfindliche finanzielle Strafen drohten, doch nicht so alternativlos ist. Das wirft die Frage auf, ob das Argument jener unausweichlichen sachlichen Notwendigkeit – hier die juristischen Rahmenbedingungen auf der europäischen Ebene – im behördlichen Handeln aus zweckrationalen Gründen des öfteren überstrapaziert wird.

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