06.07.2017


Vom Tellerrand gesprungen


Wir sprachen mit zwei Expertinnen zum Thema Ganzheitliches

Sessei-Inhaberin Manuela Wolf (li.) und Heilpraktikerin Cornelia Lehmann

Die Schale muss leer sein, um gefüllt werden zu können (Asiatisches Sprichwort)

Regelmäßige Vorträge können helfen, den Horizont zu erweitern, was die eigene Gesundheit betrifft

Ganzheitlichkeit bezeichnet eine Herangehensweise, die den Menschen in umfassenden Zusammenhängen betrachtet und behandelt.

Wir sprachen mit Cornelia Lehmann, ihres Zeichens Heilpraktikerin in Friedrichshagen und Manuela Wolf, Geschäftsinhaberin von "Sessei". Sessei kommt aus dem Japanischen und bedeutet gesunde Lebensführung.

Der Friedrichshagener Schirm freut sich sehr, Sie als Co-Autorinnen für unsere neue Rubrik "Ganzheitliches" begrüßen zu dürfen! Sie sind selbständig in Friedrichshagen...was bewog Sie dazu, sich gerade hier beruflich anzusiedeln?

Cornelia Lehmann: Da ich Friedrichshagen durch Freunde kenne, habe ich jedes Mal, wenn ich hierher komme, das Gefühl, ich fahre in den Urlaub. Das hat mich persönlich sowas von heruntergefahren, mein Gemüt hat sich entspannt. Damals, als ich auf der Suche war nach einer neuen Praxis, hatte ich mich berlinweit beworben und interessanterweise wurde dann hier in der Aßmannstraße ein Raum frei, wo sich meine Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, für mich entschieden haben. Als ich zur Besichtigung kam, hatte ich sofort das Gefühl, ich gehöre hier rein. Die Entscheidung für Friedrichshagen war eine reine Bauchsache. Da, wo andere Urlaub machen, arbeiten zu dürfen, ist doch ein totales Geschenk...

Manuela Wolf: ...auf jeden Fall! Ich liebe meinen Arbeitsweg...

...der kommt ungefähr woher?

Manuela Wolf: Ich komme aus der Köpenicker Altstadt...

Cornelia Lehmann: ...du fährst ja mit dem Fahrrad.

Manuela Wolf: Ja. Ich fahre mit dem Fahrrad. Richtig schön. Über die Brücke, ich sehe das Wasser...Ja und zur Motivation: Bei mir war es eher so, dass ich aufgrund der Kundschaft, die ich ansprechen wollte, nicht viele Möglichkeiten hatte in Berlin. Also entweder Friedrichshagen, weil ich dachte, dass hier der "open mind" schon da sein könnte, der genau dieses Thema auch versteht oder eben Prenz'lberg, Friedrichshain. Diese beiden schienen mir aber als Arbeitsweg etwas zu weit. Ich habe in allen Richtungen gesucht, auf allen Scouting-Plattformen der Welt...und irgendwann ploppte es dann auf. Als ich den Laden zum ersten Mal sah, wollte ich ihn auch unbedingt haben, der ist so schön...ein Blumenladen war es vorher, den die Inhaberin nicht aufgeben musste, sondern nur ihr Geschäft wegen Vergrößerung woandershin verlegte und da hatte ich dann auch ein gutes Gefühl dabei. Auch alle Menschen, mit denen ich darüber sprach, fanden Friedrichshagen top. Also dachte ich: Passt!

Man passt dahin, wo man hingehört, meistens.

Cornelia Lehmann: Ja!

Manuela Wolf: Ja. Manchmal wird einem das, was wichtig ist, auch nur vor die Füße gelegt. Zugreifen muss man dann schon selbst.

Der Friedrichshagener Schirm existiert ausschließlich als Online-Netzwerkplattform, nicht als Printmedium. Wie nutzen Sie für sich beruflich das Internet?

Manuela Wolf: Sessei hat eine Homepage inklusive Online-Shop. Wir möchten gern das Publikum sowohl regional mit dem Kosmetikstudio für ihre äußere Schönheit ansprechen und natürlich peu á peu auch nahebringen, dass man gesundheitlich von innen etwas tun kann. Ich denke allerdings, dass die Menschen momentan noch internetaffiner sind, was den Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln betrifft. Deshalb haben wir den Shop und deswegen lohnt sich wirklich auch die Reichweite außerhalb der Regionalität. Ich versuche natürlich, auch Gesundheitswissen zu teilen. Ansonsten ist es tatsächlich so, dass man versucht, regional Verbindungen zu schaffen, sich zu vernetzen und zu schauen, wo man vielleicht auch Kooperationen schaffen kann. Das eben auch im World Wide Web.

Cornelia Lehmann: Internetpräsenz ist heutzutage sehr wichtig, ohne diese wird es nicht mehr funktionieren, da unsere Zeit einfach mal auf diese Medien baut. Ob man selbst jetzt dazu eine Affinität hat oder nicht, man kann und sollte sich dem auch nicht mehr entziehen. Es ist einfach wichtig, sich im Netz zu zeigen. Deswegen bin ich sehr dankbar, den Friedrichshagener Schirm kennengelernt zu haben. Für eine Heilpraktiker-Praxis gibt es generell sehr strenge Regeln, was Werbung angeht. Es ist doch viel besser, wenn man gute Kooperationspartner hat, die einen dabei verlässlich unterstützen. So wie der Friedrichshagener Schirm, der als Lokalportal im Internet doch sehr etabliert ist. Zum Beispiel für Veranstaltungen finde ich das eine wundervolle Plattform, um die Menschen zu informieren, was überhaupt stattfindet.

Ganzheitlicher Ansatz bedeutet auch, wenn ich es richtig verstehe, nichts auszuschließen. Medizin im herkömmlichen Sinn basiert ja zu großen Teilen auf messbaren Werten. Dieses Wissen bringt jedoch nicht immer eine hilfreiche therapeutische Erkenntnis. Frage: Wieviel sehen wir wirklich?

Cornelia Lehmann: Es kommt zunächst mal darauf an, wie weit bin ich bereit, zu blicken. Wenn ich meinen Geist öffne für neue Sachen, dann sehe ich natürlich auch mehr. Wenn ich festhalte an Altem, dann begrenze ich mich und werde einen weiteren Blick nicht entwickeln können. Wenn ich mich öffne, werde ich auch Dinge anders wahrnehmen. Mein Körper teilt mir mit, dass er ein Problem hat, er schickt mir Nachrichten. "Schau doch da mal hin, ich habe hier ein Problem!" Jetzt liegt es an jedem selbst. Möchte ich die Nachricht verstehen oder möchte ich sie ignorieren?

Manuela Wolf: Wir gehen da schon ein bißchen ins Philosophische. Die Frage ist eigentlich: Was ist die Wirklichkeit? Gibt es eine objektive Wirklichkeit? Eine scheinbar gleiche Situation kann für zwei Menschen komplett anders wirken. Sie nehmen es ganz anders wahr, weil sie andere Erinnerungen oder Erfahrungen haben, anders gepolt wurden durch Eltern und Umwelt. Das kann man auf das ganze Leben übertragen. Wenn wir mal zur Ernährung als etwas Greifbarem kommen, da ich eher praktisch veranlagt bin, ist es schon so, dass die Ansichten und Meinungen zu bestimmten Dingen schon sehr festgefahren sind. Wenn man mal zurückblickt, war es doch schon so, dass wir über Obst und Gemüse früher genug Vitalstoffe aufgenommen haben. Das ist heute nicht mehr gegeben. Viele Menschen sind aber der Meinung, das sei heute immer noch genug. Da kommen wir zu dem Thema "Über den Tellerrand hinaus blicken". Man sollte den Blickwinkel ändern und versuchen, darüber nachzudenken, was sich alles verändert hat....sollte ich mich dann auch verändern?

Wir verändern uns ja auch ohne unser bewusstes Zutun...

Manuela Wolf: Ja das kommt noch dazu! Wenn es also darum geht, was sehen wir alles, dann ist das wirklich nur ein Bruchteil dessen, was wirklich passiert. Wir können eigentlich gar nicht alles erfassen!

Cornelia Lehmann: Wieviel Prozent unserer Hirnkapazität nutzen wir ungefähr? 10 Prozent?

Manuela Wolf: Maximal. Trotzdem macht uns das schon kreativ.

Für einige der selbst auferlegten Modernitätsprobleme gibt es dann auch gleich eine scheinbare Patentlösung, ich nenne mal beispielhaft den Modebegriff "Work-Life-Balance".

Manuela Wolf: Für die Generation 30-50 finde ich es in Ordnung, zu erkennen, dass es einen Ausgleich zu beruflichem Engagement geben sollte. Kritischer sehe ich da, dass es moderne erfolgreiche Unternehmen gibt, die insbesondere jungen Mitarbeitern vorgaukeln, so etwas wie eine "Work-Life-Balance" am Arbeitsplatz bieten zu können. Sie erschaffen künstlich so etwas wie eine große Familie, bieten Fitnessräume, Freunde, mit denen man zusammen Mahlzeiten einnimmt. Da bist Du dann teilweise von morgens um 7:00 Uhr bis abends um 22:00 Uhr.

Cornelia Lehmann: Arbeit sollte, bei allem sozialen Charakter, vorrangig dazu dienen, Dir das Leben zu ermöglichen, das Du führen möchtest.

Nun könnte es ja Menschen geben, die meinen, Ganzheitlichkeit sei auch nur ein Modebegriff...

Manuela Wolf: Ganzheitlichkeit ist ein Begriff, den man gefunden hat, um alles in einem Wort auszudrücken, was so umfassend ist, dass es nicht in drei Sätzen zu beschreiben ist...

Cornelia Lehmann:...Stimmt. Wenn man sich die alten Behandlungsformen ansieht, Ayurveda 5000 Jahre alt, die TCM (Anm.: Traditionelle Chinesische Medizin) 3000 Jahre alt, dann war Ganzheitlichkeit immer im Vordergrund. Dabei ging und geht es vorrangig darum, vorbeugend zu behandeln. Da geht es um Themen wie die Psyche, was geht ab zwischen deinen zwei Ohren, um Ernährung...wie ist meine "Work-Life-Balance"...wie ist mein Familienkonstrukt, mein Umfeld, da zählt eben alles mit rein. Damit ist ganzheitlich ein passender Begriff dafür...

Manuela Wolf:....genau. In Europa haben wir das nur "verloren". Es war bei Kneipp und auch bei Hildegard von Bingen auch ein ganzheitlicher Ansatz da. Durch das Zeitalter der Industrialisierung hindurch verlagerte sich die Medizin mehr und mehr von der Ganzheitlichkeit hin zu Spezialisten, welche von ihrem Fachgebiet schon eine Menge Ahnung haben. Auf den konkreten Patientenfall bezogen findet jedoch zu wenig ausreichende interdisziplinäre Kooperation statt.

Cornelia Lehmann: Unser Körper ist ein Zusammenspiel von 50 – 80 Billionen Zellen, die harmonisch und interaktiv miteinander arbeiten. Deshalb macht es Sinn, alles auch in einem größeren Zusammenhang zu betrachten.

Ein Satz der Schulpsychologie lautet: "Du kannst die Welt nicht verändern, nur Dich selbst."

Manuela Wolf: Diesen Spruch sage ich fünf mal am Tag...zu meinen Kindern...

Cornelia Lehmann: ...und wenn ich mein Denkverhalten ändere, bekomme ich eine andere Resonanz von meiner Umwelt. Das ist einfach mal ein physikalisches Prinzip...

Manuela Wolf: ...ja und dann ist es doch auch so, dieser Satz ist nicht von mir, aber trifft hier genau den Kern: "Du kannst nicht immer das Gleiche tun und ein anderes Ergebnis erwarten."

Was möchten Sie den Lesern über oder durch diese neue Rubrik nahe bringen?

Cornelia Lehmann: Mein Anliegen ist es, Impulse zu setzen, um zu nachhaltiger Veränderung, Entwicklung und besserer Gesundheit zu inspirieren.

Manuela Wolf: Bei Sessei war von Grund auf die Idee, Menschen zu zeigen, dass man ganz viel selbst tun kann, um gesund, vital und vielleicht auch "schön" zu altern. Schön im Sinn von "Ich fühle mich gut und ich mag mich."

Eine gesunde Lebensführung mit einem ganzheitlichen Therapieansatz kann eine sehr gute Basis sein, um herauszufinden, was man selbst, über das bereits Bewusste und Geleistete hinaus, lernen kann, um sich selbst und seiner Umwelt besser gerecht werden zu können. Es bedeutet nicht, alles anders zu machen, aber es bedeutet, Fragen zu stellen, die man sich vielleicht noch nie gestellt hat.

Der Friedrichshagener Schirm bedankt sich sehr herzlich für das überaus spannende Gespräch bei Cornelia Lehmann und Manuela Wolf!

Cornelia Lehmann: Dankeschön!

Manuela Wolf: Dankeschön! Hat Spaß gemacht!

 

Das Gespräch führte Stefan Mensah

Bilder: Renate Patzwaldt

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