31.01.2012


Nanu, Nationaltheater Fritzenhagen spielt auch für Friedrichshagener?

Gespräch mit Theatermacher Peter Waschinsky, in Friedrichshagen einen Cliquen-Staat vermutend

[Schirm] Das "Deutsche Nationaltheater Fritzenhagen" beginnt demnächst seine 4. Spielzeit, wie läufts denn so?

[Waschinsky] Unentschieden. Einerseits werden wir immer wieder gelobt, oft euphorisch, andererseits fallen Vorstellungen mangels Besuchern aus. Bei nur 20 Plätzen schon merkwürdig. Diese Spielzeit soll für mich die Entscheidung bringen, ob wir weiter machen. Wir müssen ja nicht! Da wir wie erwartet wenig dabei verdienen, soll uns aber nicht die Freude dran abhanden kommen. Die hatten wir zeitweise mehr bei Auswärtsgastspielen.

Nach den meist bejubelten Auftritten von Mario Ecard und Peter Waschinsky zur Montagsdemo dürften Sie aber nun vielen Friedrichshagenern bekannt sein.

Das sieht so aus. Wir waren ja auch die Allerersten, die Beiträge speziell zum Überflug-Thema brachten: Zur Ballonaktion am See und zum Rahnsdorf-Sternmarsch im Frühjahr.

Das meinungsmachende Feuilleton der FAZ nannte Sie einen „legendären Puppenspieler“. Sie sind gewissermaßen ein Mann mit Vergangenheit. Sie haben sich deutlich kritisch zur DDR geäußert, waren aber gleichzeitig einer ihrer international gefeierten Künstler...

… worauf ich aber nicht ewig herumreiten will.

Daß Sie als einziger Ostdeutscher bei den Muppets präsentiert wurden, sollte man aber schon anmerken.


Ja, aber nicht als einziges, haha. Ich hab auch andere Seiten, immerhin hab ich z.B. als erster Brecht im DDR-Puppentheater inszeniert.

Was noch heute als Sternstunde des Metiers bewertet wird. Später kam dann auch „Faust“ und ein hochgelobter Kleist-Abend dazu, andererseits ein sehr eigenes Cabaret.

Am Deutschen Schauspielhaus Hamburg spielte ich dann fünf Jahre lang den Puppet-Master im Kult-Stück „Shockheaded Peter“ mit der Tiger-Lillies-Musik. Das war im größten Sprechtheater Deutschlands mit 1200 Plätzen. Da war dann sozusagen mein Bedarf an Erfolg vor großen Menschenmengen etwas befriedigt und das Gegenteil wurde interessant. Und so gründete ich mit Friedrichshagener Kollegen das hiesige Theater – das vielleicht kleinste Berlins.

Es gibt am Ort mehrere Kulturanbieter, aber Sie produzieren als einziger kontinuierlich Programme hier für hier. Warum, glauben Sie, wird das von manchen nicht bemerkt?

Tja warum? Jedenfalls habe ich mittlerweile, wenn mir mal wieder jemand sagt, wir würden zu wenig Werbung machen, den Satz auf der Zunge: „Sie reden Sch... Unsinn“: Wir hängen wenige Plakate aus – aber an markanten Stellen wie vor dem Bäcker gegenüber vom Bahnhof. Und es gab einige Artikel in der örtlichen Presse oder in den „Dichter dran“-Broschüren.

Warum spricht sich das wenig rum? Hmm, da trete ich jetzt mal gezielt in Fettnäpfe – vorausgeschickt sei, daß wir ja mit nur anderthalb Prozent der Friedrichshagener gut ausgelastet wären. Für einen Ort mit Kultur-Image vielleicht nicht zuviel erwartet.

Zunächst eine schlichte Beobachtung:

Im Stadtbild sieht man viele Leute, die aussehen, als wären sie kulturinteressiert. Konkret verhält sich das aber etwas anders.

Ich habe den Eindruck, hier gibt es voneinander ziemlich hermetisch abgeschirmte Gruppen, um nicht zu sagen Cliquen, zwischen denen Funkstille herrscht.

Da wären einerseits Ältere mit gehobener DDR-Vergangenheit, die ihren Kulturbedarf nur im offiziellen damaligen Kulturbetrieb deckten und sowas wie mich nicht wahrnahmen, bzw. eher negativ. Ich hatte besagten Muppet-Auftritt, dann mal einen bei Biolek, aber im DDR-Fernsehen stand ich auf einer schwarzen Liste, wie mir ein TV-Regisseur mal zu verstehen gab.

In Gisela Mays Sendung hing ich zwar als Plakat in der Dekoration, kam aber selber nie dran, das war schon skurril. Ich trat in Jugend- und Studentenclubs auf, nur gelegentlich in Stücken am Deutschen Theater usw. Jedenfalls galt ich eher als suspekt, nicht nur wegen mancher Inhalte.

Na und andererseits gibt es hier die Zugezogenen von westwärts, die teilweise wenig Gespür für den hiesigen Humus entwickeln, oft sind das aber auch gut verdienende und viel arbeitende jüngere Leute mit Kindern, die wenig Zeit haben.

Dann hat man die, die nur zum Kirchenkonzert gehen, weil sie nur das für Hochkultur halten oder weil sie einen Musiker oder Sänger kennen.

Dabei haben Sie mit Erfolg Oper inszeniert.


Bei vielen gibt’s natürlich die Vorurteile gegen einen Puppenspieler, auch wenn unser Theater gar kein vor allem Puppentheater ist und ja auch nicht nur aus mir besteht.

Aber das sind alles nur Vermutungen und es gibt Anzeichen, daß Friedrichshagen durch die Flugproblematik jetzt mehr zusammenrückt und man sich gegenseitig mehr wahrnimmt. Ein harter Kern zeigt auf den Demos unglaubliches Stehvermögen – da müßte doch einmal im Jahr Theater vor der Haustür drin sein, wo man um zehn wieder zu Haus ist.

Wir machen ja der reichen Hauptstadtkultur keine Konkurrenz, bieten aber Qualität mit wenig Aufwand – Subventionen haben wir nicht erwartet, das Kulturamt hilft aber, wo es kann, auch mal mit kleinen Summen.

Wir hatten eigentlich einen Raum mit ca. 50 Plätzen gesucht, aber als wir den wunderschönen Pavillon am Wasser neben der Weißen Villa in traumhaftem Umfeld am Wasser entdeckten, waren wir auch mit 20 Plätzen zufrieden. Wir liefern die Kunst, die Weiße Villa die Getränke, die man während der Vorstellung konsumieren kann, so sind beide Seiten froh. Und die Zuschauer auch. Wenn sie kommen – und nicht immer nur sagen: Wir wollen mal kommen. Solche gibt’s nämlich auch zahlreich.

Dieses Jahr geht’s jedenfalls auf jeden Fall weiter. Womit?


Angelika Böttiger, gediegene Schauspielerin, war ja gerade auf ARD mit Horst Krause als „Krauses Braut“ zu sehen, bei uns spielt sie wieder meine etwas avantgardistische Solo-Komödie „Schwarze Seelen“. Vielleicht macht sie auch noch ihren geplanten Kleist-Abend. Der wunderbare Komödiant und Sänger Mario Ecard – ich erinnere an seinen Woplatzwereitzek bei der Montagsdemo – wird mit mir zum 111. Jubiläum des deutschen Kabaretts einen Abend spielen „Friedrichshagen – die Wiege des deutschen Cabaretts?“

Und wir alle drei planen ein neues Stück von mir nach hiesigen Geschichten um die Friedrichshagener Dichter und den Förstermord in Rahnsdorf „Im heißen Schlössel am Müggelsee“.

Da kann ich nur viel Erfolg wünschen und den Friegrichshagenern, daß sie diese kulturelle Perle, ihr ureigenes Theater, stürmen!

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