30.11.2016


Geschichten aus dem alten Berlin (2)

Neues aus der alten Zeit

Blick zum Müggelschlösschenareal

"Erwin warum kommste denn so spät, haste Überstunden geschrubbt? Kann ich mir nich denken, ick globe, du bist mit deiner Horde in de Eckkneipe versackt."

Erwin trat nah an seine Gabi ran und hauchte ihr seinen Atem ins Gesicht.

"Na Gabriele bin ick blau? Bin ick jemals nach de Arbeit inne Kneipe jejangen?"

G: "Eijentlich nich, dann war wat uf Arbeit, oder?"

E: "Pass uf, der Meister und ich wurden jefracht ob wir nach Schöneweide umsiedeln würden."

G: "Etwa in det neue Werk direkt anne Spree?"

E: "Janz jenau, da brauchen se dringend einjearbeitete Fachleute. Ich habe zu jesacht, weil du och mit kannst und wir da ne größere Wohnung krijen. Ist dit'en Hammer?"

G: "Mensch Erwin, det is die beste Nachricht seit dem wir bei de AEG arbeten!"

E: "Und Gabi, det Schönste dabei is, das wa mit Rad inne halbe Stunde in dein jeliebtes Friedrichshagen sind. Na wat sachste, dett zu spät kommen hat sich jelohnt."

Zwei Monate später waren schon die ersten Schichten im neuen Werk der AEG in Oberschöneweide gefahren. Die neue Wohnung von Erwin und Gabi hatte ein Zimmer mehr als die alte und lag nur 10 Minuten zu Fuß vom Werk entfernt.

G: "Erwin, wann fahren wa nun mal nach Friedrichshagen? Von enem Mädchen auß'em Nachbarbüro hab ich jehört, dass man da klasse schwofen jehn kann."

E: "Meine Kleene, det hamse mir och schon verklickert und weste watt, Sonntach machen wa hin."

G: "Erwin da kann ick endlich mein jepunktetet Sommerkleid ausführen. Noch drei Tage arbeiten und dann aber."

E: "Mach nich son Wind, wenn et regnet, dann bleiben wa wo wa sind."

Es regnete nicht, ganz im Gegenteil, Sonne und nur wenig Wolken machten den Tag zu einem Erlebnis für die Beiden. Nach dem Frühstück und dem dreimaligen Umziehen von Gabi ging es mit dem rotgestreiften Sommerkleid ab nach Friedrichshagen. Ihr Ziel war die Gaststätte "Müggelschlößchen". Mit der dampfgetriebenen Prahmfähre, die neben der Brauerei die Leute über die Spree beförderte, gelangten sie zur Ausflugsgaststätte. Man konnte wunderbar draußen mit Blick auf den Müggelsee sitzen.

Erwin streckte seine Füße unter den Tisch und genoss sein kühles Bierchen. Seine Gabi war nur auf Achse, sie pendelte ständig zwischen Spree, Gaststätte und dem See. An Ihrer Weinschorle hatte sie nur kurz genippt. Diese riesige Anlage begeisterte sie so sehr.

G: "Erwin, ist das nich toll hier, hast du drinnen gesehen, eine irre Tanzfläche."

E: "'Elsa' komm her, in der Zeit wo de hier dir allet anjekikt hast, hab ick mitten Kollegen vom Werk en Bierchen jezischt. Der erzählte von ener noch schöneren Jastlichkeit. Mitten Drahtesel sind wa in paar Minuten da."

G: "Noch ne Gaststätte am See, Erwin nach'em Essen schauen wir uns die mal an."

Das Mittagessen im Freien war verzehrt, das Pärchen schwang sich auf die Räder und erreichte nach wenigen Minuten die zweite Ausflugsgaststätte am Müggelsee.

G: "Erwin die Gaststätte is ja fast jenau so schön wie det Müggelschlößchen."

E: "Gabi, jeh mal rin und kiek dir den Wirt an. Der steht gerade hintern Tresen."

Gabi stellte ihr Rad ab und schaute sich das herrliche Fachwerk der Gaststätte an. Ein gediegener Bau, der Gemütlichkeit ausstrahlte. Drinnen stand ein wahrer Riese hinter'm Tresen. Den meinte Erwin, ein Koloss von Mensch, bestimmt 2 Meter groß und drei Zentner an Gewicht. Was ihr aber aber am meisten imponierte, war sein Rauschebart. Bis über die Brust reichte er ihm.

G: "Erwin hinterm Tresen steht der leibhaftige Rübezahl. Das ist eine Erscheinung!"

E: "Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, das Wirtshaus wird Rübezahl jenannt. Der Pächter heißt eigentlich Carl Lange, aber Rübezahl hat sich hier einjebürgert."

Nach Kaffee und ein wenig Kuchen machten sich die beiden auf Heimreise. Gabriele schwärmte zu Hause von den beiden herrlichen Gaststätten am Müggelsee und der Radtour durch so viel Wald. Am liebsten würde sie direkt in Friedrichshagen eine Wohnung haben. In der Friedrichstraße wird ja ordentlich gebaut...träumen war ja nicht verboten...

Idee und Geschichte: Alexander Braun (redaktionell bearbeitet von Stefan Mensah)

Bildquelle

(Anm. d. Red.: Bei dem Bild handelt es sich wahrscheinlich um ein zeitgenössisches Ölbild - Künstler vermutlich Gottlieb Doeppler (oder auch Doebler)

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