Zeit-Fenster Nummer 10: Über die Seidenraupenzucht in Friedrichshagen

Die Nachfrage nach chinesischer Seide war besonders seit der Barock-Zeit so groß und konnte kaum befriedigt werden, dass bereits der Große Kurfürst Bestrebungen begünstigte, Seide in und für Preußen selbst herzustellen. Notwendig dazu waren Seidenraupen und für deren Nahrung Blätter der Maulbeerbäume.

Kein Geringerer als der berühmte Philosoph Gottfried Wilhelm Leibnitz gilt als der Initiator des ernsthaften Beginns des Seidenbaues in Brandenburg.

 

Rolf Kießhauer beschäftigte sich mit diesem, speziell für Friedrichshagen, wichtigen Thema in seiner Schrift „Seidenraupen in Friedrichshagen“. Hier sein Blick in das Zeit-Fenster zur Geschichte der Maulbeerbäume und Seidenraupen in Friedrichshagen.

 

Friedrich II. gelang es in seiner Regierungszeit (1740-1786), den hier bis dato nicht heimischen Maulbeerbaum dreimillionenfach anpflanzen zu lassen.

So kam auch das eigentlich für die Ansiedlung von Baumwollspinnern 1753 gegründete Friedrichshagen, gemäß den Instruktionen des Ortsgründers, Kriegs- und Domainenrat Pfeiffer, zu einer Maulbeerbaumplantage.

Über 2000 dieser Bäume wurden 1757/58 in einer sechsfachen Reihe in der Dorfstraße, sowie auch auf dem Kirchhof, auf dem Gelände des Schulzengutes und an anderen Stellen des Dorfes gepflanzt.

In der Instruktion für den Dorfschulzen war als Grund für diese Anpflanzungen angegeben: "um sowohl den Einwohnern Nutzen zu Schaffen, als auch dem Dorf eine Zierde zu geben und es vor Feuersgefahren in Sicherheit zu setzen."

Ein wesentlicher Gedanke war dabei aber auch, dass bestimmte Bewohner, gedacht war an Prediger, Küster, Schulmeister etc., sich mit Seidenraupenzucht und Seidenbau beschäftigen sollten.

Das war dann ja auch nachweislich der Fall. Der erste Lehrer Friedrichshagens, Kantor Kluckhuhn, beschäftigte sich mit einigem Erfolg mit dieser Sache. Später taten es ihm wenige andere Bewohner gleich.

Am erfolgreichsten von ihnen war der Lehrer Neumann, der über viele Jahre hinweg Seidenspinnerkokons an die Haspelanstalt Zehlendorf ablieferte und sich somit einen guten Nebenverdienst schaffte.

Die Friedrichshagener Kolonisten standen der Seidenraupenzucht aber ablehnend gegenüber, schränkte doch das Ablauben der Maulbeerbäume für die Seidenraupenfütterung deren Wachstum und Blühfreudigkeit und somit den Fruchtertrag stark ein.

Sie betrachteten, zu Unrecht, die auf der Dorfstraße vor ihren Häusern stehenden Bäume als ihr Eigentum.

So nutzten sie sie als eine zusätzliche Einnahmequelle durch den Verkauf der im Sommer sehr gefragten, schmackhaften exotischen Früchte. Pflege ließen sie den Bäumen aber kaum zukommen.

Diese mangelhafte Behandlung, das nicht besonders geeignete Klima sowie auch zahlreiche Schädlinge führten dazu, dass trotz einer umfangreichen Nachpflanzung hunderter Bäume um 1856, die gesamte "Plantage" heute bis auf einen alten Baumveteranen (vor dem Haus Bölschestraße 63) abgestorben ist.

Dank der Initiativen der Evangelischen Kirche (1990), der Firma Fielmann (2000) und der Aktionen des Gartenamtes des Bezirkes Treptow-Köpenick (2003-2007) gibt es zur Zeit wieder 27 junge, gesunde Maulbeerbäume in der Bölschestraße.

Helfen wir alle dabei mit, ihr Gedeihen durch eine gute Pflege zu fördern und sie so wieder zu einer Sehenswürdigkeit unserer Bölschestraße werden zu lassen!

 

Rolf Kießhauer


Die bepflanzte Friedrichstraße um 1910 (heute mit nur wenigen Maulbeerbäumen), Postkarte Archiv K. Brandel.

 


(Eine umfassende Darstellung der Geschichte der Friedrichshagener Maulbeerbäume und des Seidenbaues im Dorf, können Sie im Heft 7 der "Friedrichshagener Hefte" nachlesen).