Zeit-Fenster Nummer 17: Kranken- und Armenpflege in Friedrichshagen
Die Fürsorge für Kranke und Arme spielte bei der Einwohnerzahl in Friedrichshagen eine immer bedeutendere Rolle. So setzte der Gemeindevorstand sogar eine „Armenkomission“ ein, die bis zur Eingemeindung des Ortes 1920 sehr erfolgreich wirkte und die kirchlichen Einrichtungen unterstützte.
Der im Jahre 1888 gegründete „Kranken- und Armenpflege-Verein“, stellte sogar eine ausgebildete Schwester an, die Diakonisse Johanna Koch. Sie leitete die seit dem 1. April 1889 bestehende Krankenpflegestation in der Kirchstraße 21 (heute Aßmannstraße). Eingeführt in die kirchliche und weltliche Gemeinde wurde sie während eines Gottesdienstes von Prediger Vogel, der die Schwester ermutigte, „zum treuen Ausharren in ihrem schweren Berufe und legte der Gemeinde ans Herz, das aus werktätiger Nächstenliebe herausgewachsene Unternehmen kräftig zu unterstützen.“
(Niederbarnimer Zeituing, 24.4.1889)
Schwester Johanne, wie sie genannt wurde, stand allen Hilfebedürftigen ohne Unterschied der Religion zu Verfügung. „Hilfeleistung erfolgt unentgeltlich; von Wohlhabenden wird angenommen, daß sie den Dienstleistungen entsprechende Entschädigung zu Händen des Schatzmeisters leisten.“ (Ebenda.
1896 entstand dann in der damaligen Wilhelmstraße 80, der heutigen Peter-Hille-Straße, ein statt-liches zweistockiges Haus, das als Diakonissenhaus fortan sozialen Zwecken diente.
Mit dem Bau des Diakonissenhauses erhielt nicht nur der „Kranken- und Armenpflege-Verein“ eine würdige Heimstätte; auch die 1893 geschaffene Kleinkinderschule fand hier Aufnahme.
Schwester Helene Jung, ausgebildet im Moabiter Paul-Gerhard-Stift, betreute die drei bis sechsjährigen Kinder. Sie und noch weitere Diakonissen, die im Laufe der Zeit Anstellung fanden, wohnten im Obergeschoss des Diakonissenhauses.
Eine Näh- und Flickschule, „zu Förderung der weiblichen Handarbeit“, ein Nähverein, der Wäsche und Kleidungsstücke für die Armen fertigte und eine Strickschule für junge Mädchen, waren weitere nützliche und wohltätige Einrichtungen, die ebenfalls im Diakonissenhaus etabliert waren.
Wiederholt konnte man in der örtlichen Presse solche oder ähnliche Aufrufe lesen:
„Bitte.
Zur bevorstehenden Winterszeit wird in vielen Familien unter den getragenen Anzügen und Kleidern aufgeräumt und manches an sich noch brauchbare, für die betreffenden Familienmitglieder jedoch mehr oder mnder wertloses Stück beiseite gelegt.
Wir bitten herzlich, derartige Kleidungs- und Wäschestücke uns für die Armen unseres Ortes, Groß und Klein, gütigst überlassen zu wollen. Die Sachen werden in unserem Verein, soweit erforderlich, wieder instand gesetzt und finden alsdann anderweitige zweckentsprechende Verwendung.
Mit herzlichem Dank wird alles entgegengenommen und werden die Sachen auf Wunsch aus dem Hause abgeholt, sofern nicht direkte Lieferung an die Schwestern im Diakonissenhaus, Wilhelmstraße 80, vorgezogen wird,
Der Vorstand des
Kranken- und Armenpflege-Vereins.“
(Niederbarnimer Zeitung, 25.11.1900)
Der 1. Weltkrieg stellte an die Diakonissen und ihren Helfern hohe Anforderungen, mußten sie doch auch im provisorisch eingerichteten Lazarett im „Weltrestaurant“ in Hirschgarten Dienst tun.
Auch die politische Gemeinde sah sich mit der Krankenpflege und der zunehmenden Verarmung konfrontiert. Das Gemeindeparlament in seiner Sitzung vom 24. März 1916 beschloß, den Zuschuß vom 500 Mark auf 1 000 Mark für diesen Zweck zu erhöhen.
Im August 1916 wurde von den Diakonissen ein Kinderkrippe eröffneten, für Kinder, deren Mütter in der Rüstungsindustrie arbeiten mussten.
16 bis 20 Kinder im Alter von 6 Wochen bis zu drei Jahren fanden hier Aufnahme. Eine besonders ausgebildete Schwester vom Paul-Gerhard-Stift übernahm die Leitung der provisorisch in der Wohnung des Friedhofswärters (2 Zimmer und Küche) im Diakonissenhaus untergebrachten Einrichtung. Ein Anbau, um die Krippe entsprechend den Bedürfnissen unterbringen zu können, wurde geplant.
Die Kosten für die nützliche und wohltätige Einrichtung wurden in der Gemeindevertretersitzung vom 6. Oktober 1916 beschlossen. Der Kreis Niederbarnim beteiligte sich an den laufenden Kosten mit 800 Mark, die Kirchengemeinde mit 500 Mark, der Kranken- und Armenpflege-Verein ebenfalls mit 500 Mark und die politische Gemeinde Friedrichshagen hatte einen Anteil vom 1 500 Mark. Für die Unterbringung ihrer Kinder zahlten die Mütter pro Woche 3 Mark.
Auch nach dem 1. Weltkrieg wurden die Tätigkeiten im Friedrichshagener Diakonissenhaus fortgesetzt. Bis zu seiner Zerstörung durch einen Bombenangriff kurz vor Ende des Krieges 1945, gehörte das Diakonissenhaus der Evangelischen Kirchengemeinde und wurde von ihr unterhalten.
Nach einem Text von Inge Kießhauer. Abbildungen: Archiv Brandel