140 Jahre Bier aus Friedrichshagen – Die Geschichte der Brauerei am Müggelsee

Grundriß des Kruggebäudes

 

„Muß der Schulze dahin bedacht seyn, daß es dem Dorfe niemahlen an Brodt, Getränke (welches er an Bier und Brandtwein aus der Stadt Cöpenick zu nehmen hat) fehle...“

 

Schon Johann Friedrich Pfeiffer, der mit der Gründung des Kolonistendorfes Friedrichshagen beauftragte Königliche Kriegs- und Domänenrat, setzte mit Nachdruck diese königliche Anordnung im Mai 1753 um!

Zwar wurden bei der Gründung des Ortes noch keine Braurechte vergeben, aber Bier und Brandwein, geliefert vom „Cöpenicker Amt“, wurden auch hier reichlich ausgeschenkt, im damaligen Kruggebäude, das in etwa an der Stelle der heutigen Bölschestraße 137 / Ecke Müggelseedamm stand.

Der Brauerei-Ausschank, um 1910

Die Geschichte der Friedrichshagener Brauerei beginnt erst im Jahr 1869, als der letzte Dorfschulze, Kaufmann Hermann Schäfer, das Schulzengut für 12.000 Taler erwarb und bereits 1870 die erste Brauerei mit der Bezeichnung „Lindbrauerei“ hier im Ort eröffnete.

In der Zeitung „Cöpenicker Dampfboot“ warb er mit folgendem Slogan:

Am nächsten Sonntag gibt’s bei mir
zum ersten Male „Lindenbier“ gebraut
in Friedrichshagen.
Wer diesen Trunk gekostet hat
bekömmt ihn, glaub ich, niemals satt.


Ausgeschenkt wurde das Bier im „Brauerei-Ausschank“, dem späteren Restaurant „Bürgerbräu-Stübl“ und in der neu erbauten „Müggelschloß“-Gastwirtschaft.

Doch schon 1877 fanden die hochfliegenden Pläne des Brauereibesitzers Schäfer ein jähes Ende: die Brauerei wurde zwangsversteigert.

Ansicht der Brauerei mit Klut-Villa, um 1900

1888 übernahmen Wilhelm Wallburg und sein Partner Jansen das durch ideenreiches Wirtschaften aufstrebende Unternehmen und gaben ihm den Namen „Müggelschlößchen-Brauerei“. Die jährliche Bierproduktion konnten sie auf 10.000 Hektoliter steigern!

Die Firma „Müggelschlößchen Wallburg und Jansen“ war nunmehr eine der leistungsfähigsten Brauereien in der Gegend. und viele Jahre für ihr Spitzenbier bekannt.



Am 1. September 1901 vollzog sich abermals ein Wandel in der Brauereigeschichte:
die „Erste Genossenschaftsbrauerei Friedrichshagen“, eine genossenschaftliche Einrichtung der Gaststättenbesitzer und –pächter Berlins und Umgebung,
wurde gegründet.

Berliner Bürgerbräu, um 1920

Eine wesentliche Steigerung der Bierproduktion konnte nun erreicht werden durch zahlreiche Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen, wie z. B. die Errichtung eines Doppelsudwerkes, der Ausbau der Gär- und Lagerhallen, die Errichtung einer eigenen Anlegestelle an der Spree oder die Gründung eines Betriebslaboratoriums sowie der Ankauf des Geländes der ehemaligen Klut’schen Villa.

Mit einer Jahresproduktion von 318.000 Hektoliter Bier konnte sich nunmehr die „Brauerei Berliner Bürgerbräu“ neben den anderen Berliner Konkurrenten „Schultheiß“ und „Kindl“ behaupten.

Kurze Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten firmierte man die Genossenschaftsbrauerei jedoch in die „Berliner Bürgerbräu Aktiengesellschaft“ um.

Während des 2. Weltkrieges kam es durch Bombentreffer zu zahlreichen schweren Schäden an der Fabrikanlage. Auch das vielbesuchte Restaurant „Müggelschlößchen“ fiel den Bomben fast vollständig zum Opfer.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde der Betrieb unter sowjetische Treuhand, als sogenannter SAG-Betrieb (Sowjetische Aktiengesellschaft) gestellt, in dem Getränke vor allem für die sowjetische Armee produziert wurde.

Die Brauerei um 1970

Mit der Gründung der DDR 1949 erfolgte die Rückübertragung und Umwandlung der Brauerei in einen volkseigenen Betrieb, der 1969 mit anderen Ost-Berliner Brauereien in das „VEB Getränkekombinat Berlin“ eingegliedert wurde.

Das zur „Exportbierbrauerei Berliner Bürgerbräu“ ausgebaute Unternehmen belieferte in den folgenden Jahrzehnten über
16 Länder, wie z.B. Großbritannien, Kanada, Italien, Schweden sowie den gesamten osteuropäischen Wirtschaftsraum, dazu Japan und die USA mit beträchtlicher Hektoliterzahl Bier.

Nach dem Beitritt der DDR zur BRD erwarb 1992 die aus Bayern stammende Brauereifamilie Häring von der Treuhandanstalt die „Berliner Bürgerbräu GmbH“. Einige Jahre wurde hier noch Friedrichshagener Bier gebraut. Doch am 1. März 2010 endete die Geschichte der Friedrichshagener Brauerei: die Firma wurde geschlossen.

140 Jahre Friedrichshagener Brauereitradition am Müggelsee wurden nun beendet!

Die Immobilie jedoch bleibt in bayerischem Familienbesitz.

 

K.B.

 

(Weiteres zur Geschichte der „Brauerei im Grünen“ erfahren Sie im Friedrichshagener Heft Nr. 56 des Autoren Rolf Kießhauer.)