Kai Grehn

Er wurde 1969 geboren und wuchs in Berlin (Ost) auf, arbeitete als Postzusteller, redaktioneller Mitarbeiter und Regieassistent, studierte Theaterregie und lebt als freier Autor und Hörspielregisseur in Friedrichshagen. Kai Grehn erhielt u.a. das Arbeitsstipendium für Berliner Schriftsteller 2005  und den PRIX MARULIC Spezialpreis 2001 und 2005. Buchveröffentlichungen u.a.: "Schwarz. Reiseskizzen" und "Die Hochzeit von Himmel & Hölle" (beide Edition Minotaurus).

Schönheit
„Schönheit“, sagte sie, als sie gegen das Betäubungsmittelgesetz mittels Einnahme illegaler Substanzen verstieß, „also wirkliche Schönheit existiert nur in der Bewegung.“

Mit diesen Worten setzte sie sich hinter das Lenkrad ihres Fahrmobils und jenen Indianern, die am Hals ihrer Pferde durch grenzenlose, grasbewachsene Weite sprengen (im Galopp, versteht sich), jenen Indianern also nicht ganz unähnlich, fuhr sie sieben Stunden im Kreisverkehr, immer um die Siegessäule.

Once in a Blue Moon
Er weilte in einer Landschaft deutscher Bunker, am Schlund einer bodenlosen Tiefe, als eine Schönheit, ein Wesen voller Leben neben ihm erschien...

Er fragte: „Bist du ein Engel?“

Und es sagte: „Ich bin ein Engel.“

Er fragte: „Kannst du fliegen?“

Und es sagte: „Ich kann fliegen.“

Er fragte: „Kannst du mich fortbringen von hier?“

Und es sagte: „Ja. Selbstverständlich kann ich dich fortbringen von hier.“

Und sie stellten sich Hand in Hand an den Rand der Tiefe. Und sie sprangen.

Das Wesen fragte: „Wußtest du nicht, daß ich eine Lügnerin bin?“

Und er sagte: „Ich wußte sehr wohl, daß du eine Lügnerin bist.“

Dann fiel er hinab.

Der Opportunist
Vor laufender Kamera befragt, wie er dieses heillose Jahrhundert habe überleben können, antwortet der hundertjährige Jubilar:

„Im Grunde, junger Mann, sehr einfach. Ich befolgte eine gute, alte Menschentradition. Dem Kältetod zog ich die wärmende Geborgenheit der Zwangsjacken vor.“

Der Türöffner
„Wer leuchten will muß sich verbrennen.“ - Da nach diesen Worten der Theatervorhang fiel, da das Publikum plaudernd und plappernd hinaus in das tönende Gekröse der Großstadt strömte, da der Türschließer mit Bestimmtheit einen jungen Mann gemahnte, die Einrichtung zu verlassen, erhebt sich dieser und verläßt, wie der Türschließer zu beobachten meint, dicht über dem kühlen Marmor schwebend das Festspielhaus.  

„Leben!“ ruft der junge Mann, „man braucht die Arme nur zu öffnen und es entfaltet seinen jahrtausendalten Flug.“

Und kurz entschlossen springt er von der Bordsteinkante und stürzt sich in das Vorhandensein der aufgehenden Sonne...




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