Kann unpolitische Unterhaltung ein Politikum sein?

Zu real existierenden Ost- (West-?) Befindlichkeiten nachfolgend ein Artikel unseres Herausgebers Lutz Treutler.

 

Julia Axen präsentierte am 15. Dezember 2007 im Friedrichshagener Gasthaus Hahn's Mühle ihr musikalisches Programm "Miteinander reden", Christel Januschewa ergänzte zwischendurch mit Gedichten von Eva Strittmatter. Ich war dabei, es war ein erfreulicher Nachmittag. Julia Axen verstand es Jung und Alt mitzunehmen mit ihren gefühlvollen Liedern und mit ihren Erzählungen, die viel Herzlichkeit und Freude am Leben ausstrahlten. Kaum zu glauben, dass sie im Jahr 2005 ihr 50. "Medienjubiläum" feierte.

1953 machte sie mit Polydor ihren ersten Plattenvertrag. Dafür hatte sie 30 Pfennig für die S-Bahn von Wilhelmshagen nach dem damals noch frei zugänglichen Westteil Berlins zu investieren. Prompt führte der Vertrag mit dem Lied "True Love" - Ich hab nur dich auf der Welt allein" zu einem Riesenerfolg. Ihr Markenzeichen wurde aber das Lied "Eine Welt ohne Dich".

Julia Axen klingt besser als "Christel Schultze", rieten schon früh ihre Kollegen und unter dem Namen weist sie heute eine erfolgreiche Karriere als Sängerin auf, die keineswegs zu Ende ist. Erst kürzlich musste sie im Ringcafé Leipzig eine zweite Veranstaltung nachlegen, weil die 250 Plätze nicht ausreichten. Den Künstlernamen gab sie sich von Anfang an nach einer Rolle, die Marika Rökk in den 50er Jahren in einem Film spielte. Sie entschied sich damals zuhause zu bleiben, nicht nach West-Berlin zu gehen, und ihre Lieder wurden dann von Amiga verlegt. Mit Hermann Axen, dem ranghohen DDR-Funktionär, hatte sie nichts zu tun.

Das Programm und der 120 Besucher fassende Saal von Hahn's Mühle hätte ein paar mehr Besucher verdient. Friedrichshagen ist halt nicht Leipzig. Der Stimmung hat es nicht geschadet.

Julia Axen gefiel es so gut im Gasthaus, dass sie erst zwei Stunden nach Ende der Veranstaltung ihren mitgebrachten Wohnzimmerstuhl wieder ins Auto packte, um die paar Kilometer nach nebenan zu ihrem Haus in Hessenwinkel zu fahren.

"Ich sing' heut' noch so gern wie am ersten Tag" sang sie in ihrem Lied "...viel Glück im Leben" und so wie sie auftritt, nimmt man ihr ohne Zweifel ab, dass ihre Profession, ihre Leidenschaft, dass Singen ihr Leben ist. Ich befragte einige Freunde und Bekannte aus Friedrichshagen und Umgebung, wie viel sie von und über Julia Axen gehört haben und hörte Vorbehalte, weil sie in der DDR Karriere gemacht hat, damals ein Haus am See kaufen konnte und es heute noch besitzt.

Es fällt mir schwer darüber nachzudenken, warum sie sich nicht zu DDR-Zeiten mit dem Regime angelegt hat, damit sie später, wenn die DDR vielleicht mal vorbei ist, besser angesehen ist. Nicht jeder hatte die Kraft und den Willen, gegen das Regime zu kämpfen; viele suchten nach einem bisschen Glück und Anerkennung, ohne sich eine blutige Nase zu holen. Man stelle sich vor, alle fähigen DDR-Künstler hätten aus Protest gegen die Verhältnisse "rübergemacht". Hätte solches Verhalten die DDR "gekippt"? Nein, dazu führte die Konkurrenz zwischen Sozialismus und Kapitalismus und natürlich die eingeschränkte persönliche Freiheit.

Bei Wikipedia kann man nachlesen, dass die "Puhdys eine der wenigen Bands war, die Konzerte im westlichen Ausland geben durften. Beigetragen hat hierzu zweifellos der gute Kontakt von Peter Meyer zur Stasi" (woraus er später kein Geheimnis machte). Auch ist verzeichnet, dass "am 7. Oktober 1984 Karat ... durch den Staats- und Parteichef Erich Honecker der Nationalpreis für Kunst und Kultur verliehen" wurde. Fest steht, dass die Bands und andere "Ostkünstler" Musik gemacht haben, die bei Ost und West beliebt war. Dabei spielte es für den Hörer keine Rolle, ob sie zum "Ruhm der DDR" beigetragen haben oder geduldet wurden. Die Musik war nur gut! Und sie werden heute nicht boykottiert.

Zitat Reinhard Lakomy: "Ich empfinde alle meine Jahre hier im Osten als Wurzeln meiner kreativen Kraft. Gerade jetzt spüre ich das regelrecht mit Genugtuung. Wir brauchen keine DDR-Nostalgie, aber wir sollten viele Dinge behalten aus einer Zeit, wo wir alle ein wenig aufeinander angewiesen waren".

Ich finde, dass Lakomys Aussage von jedem Wessi oder Ossi zu verstehen und zu akzeptieren sein sollte. Genießen wir einfach das Können der Künstler heute, DDR war vorgestern.

Lutz Treutler im Dezember 2007